Was ist eine Legasthenie?
Ein legasthener Mensch, bei guter oder durchschnittlicher Mensch, nimmt seine Umwelt differenziert anders wahr, seine Aufmerksamkeit lässt, wenn er auf Symbole wie Buchstaben oder Zahlen trifft, nach, da er sie durch seine differenzierten Teilleistungen anders empfindet als nicht legasthene Menschen, dadurch ergeben sich Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens oder Rechnens.“
Dr. Astrid Kopp-Duller, 1995
So beschreibt Astrid Kopp-Duller, eine Expertin auf dem Gebiet der Legasthenieforschung, das Phänomen der Legasthenie. Das klingt auf den ersten Blick etwas kompliziert. Es lässt sich aber in ganz einfach zusammenfassen: Legasthene Menschen sind nicht dumm, sie sind nicht faul, und sie sind auch nicht krank. Aufgrund einer genetischen Veranlagung haben sie andere Sinneswahrnehmungen. Vor allem in den Bereichen der Optik (des Sehens), der Akustik (des Hörens) und der Raumwahrnehmung verarbeiten sie Informationen anders. Dadurch kommt es zu einer zeitweisen Unaufmerksamkeit bei der Beschäftigung mit Buchstaben- oder Zahlensymbolen. Diese wird manchmal als Aufmerksamkeitsstörung (ADHS) fehldiagnostiziert.
Legasthene Menschen haben Schwierigkeiten beim Erlernen der so wichtigen Kulturtechniken Schreiben, Lesen und Rechnen. Deshalb müssen ihnen Lerninhalte in den Problembereichen anders, d.h. auf sie individuell abgestimmt, vermittelt werden. Das kann selbst die beste Pädagogin bzw. der beste Pädagoge im Klassenverband nicht leisten. Denn jedes Kind seine „besondere Legasthenie“ hat, die im Rahmen eines Einzeltrainings gezielt gefördert werden muss.

Woran erkenne ich eine Legasthenie?
Festgestellt werden kann eine Legasthenie erst, sobald das Kind mit Buchstaben- und Zahlensymbolen in engeren Kontakt kommt – zumeist also im Laufe des ersten Schuljahres. Im Vorschulalter kann es bereits erste Hinweise geben, die sich aber mit Beginn der Volksschulzeit verdichten:
- große Schwierigkeiten beim Lernen des Lesens und Schreibens
- Vertauschen von Zahlen und Buchstaben (z.B. 13 statt 31 oder d statt b)
- Probleme beim Unterscheiden von rechts und links
- Schwierigkeiten beim Behalten des Alphabets, beim Erinnern der Tage der Woche, Monate oder Jahreszeiten
- Unaufmerksamkeit beim Lesen, Schreiben oder Rechnen
- Frustration durch schlechte schulische Leistungen, die zu Verhaltensproblemen führen kann
- Auslassen von Buchstaben, gleiche Wörter werden immer wieder unterschiedlich falsch geschrieben
- mangelndes Leseverständnis
- Probleme beim Abschreiben
- ….

Was ist eine Lese-Rechtschreibschwäche?
Ob ein Kind eine Legasthenie oder eine Lese-Rechtschreibschwäche hat, kann man nur anhand der Fehler nicht unterscheiden. Der Unterschied liegt in ihrer Verursachung: Während Legasthenie (und auch die Dyskalkulie) eine genetische Ursache hat und Eltern sie oft auf ihre Kinder weitervererben, sind für das Entstehen einer LRS spezielle Begebenheiten im Umfeld des Kindes, verantwortlich: Das sind oft sehr belastende Situationen wie z.B. ein Todesfall in der Familie oder eine Scheidung, eine Krankheit, ein Klassen- oder Lehrerwechsel oder ein Lerndefizit durch zu wenig Übung. LRS-Kinder haben in der Regel keine anderen Sinneswahrnehmungen und kein Aufmerksamkeitsdefizit (es sei denn, ein zusätzliches Krankheitsbild wie z.B. eine AD(H)S liegt vor).
Ob eine Legasthenie oder eine LRS vorliegt, lässt sich nur durch eine gezielte Austestung, z.B. durch den AFS-Test, feststellen.
Wie kann ich meinem Kind helfen?
Die meisten legasthenen Kinder brauchen keine klassische Nachhilfe, sie brauchen auch keine psychologische Behandlung – sie brauchen die individuelle Förderung durch einen Legastheniespezialisten, der mit ihnen gezielt an der Verbesserung ihrer Sinneswahrnehmungen, an der Steigerung der Aufmerksamkeit und im Symptombereich, also an den Fehlern, arbeitet. Nur Kinder, die zusätzlich zu ihrer legasthenen Veranlagung an Sekundärproblemen leiden (z.B. körperliche Erkrankungen, AD(H)S, Aggressionen, Depressionen, Störungen des Sozialverhaltens, Sprachstörungen etc.) brauchen auch Unterstützung durch eine entsprechende medizinische Fachkraft (Kinderpsychologe, Ergotherapeutin, Logopäde, Kinderarzt). Meist entwickeln legasthene Kinder nur dann zusätzlich Probleme im psychologischen Bereich, wenn ihre Legasthenie nicht rechtzeitig erkannt bzw. von ihrem Umfeld nicht richtig darauf reagiert wird – nämlich unterstützend und verständnisvoll. Leider erlebe ich es immer wieder, dass legasthene Kinder als dumm, unwillig und gestört abgestempelt werden, was sich sehr negativ auf ihre seelische Gesundheit auswirkt und tiefe Spuren in ihrer Psyche hinterlässt. In diesen Fällen spricht man von einer „Sekundärlegasthenie“.
«Legasthenie und Dyskalkulie sind keine Schwächen, Störungen, Krankheiten oder gar Behinderungen! Eine Pathologisierung der Themen darf nicht toleriert werden, weil damit vielen Betroffenen Schaden zugefügt wird. Nur ein geringer Teil der Menschen mit Schreib-, Lese- oder Rechenproblemen benötigt außer der Hilfe auf pädagogisch-didaktischer Ebene auch die Hilfe von Seiten der Gesundheitsebene!»
Dr. Astrid Kopp-Duller
Eine medizische bzw. psychologische Abklärung wird notwendig, wenn sich bei einem Kind
- klinisch-psychiatrische Faktoren, also seelische Ekrankungen
- entwicklungsbedingte Faktoren in Bezug auf Sprache, Motorik etc.
- körperliche Anomalien
- abnorme psychosoziale Faktoren
- intelligenzabhängige Faktoren zeigen.
Auch LRS-Kinder benötigen meist Unterstützung im psychologischen Bereich, um an der Ursache ihrer Schreib- und Leseprobleme arbeiten zu können. Zusätzlich brauchen sie aber in jedem Fall pädagogisch-didaktische Förderung im Schreiben und Lesen!

Legasthenie ist kein Einzelschicksal!
Gut zu wissen: Legasthenie ist kein Einzelschicksal. Laut internationaler Schätzungen sind bis zu 15% aller Menschen davon betroffen! Legasthene Menschen haben viele Stärken, die sich Firmen in bestimmten Berufssparten gerne zunutze machen. Sie haben eine hohe Auffassungsgabe, große Kreativität, viel Fantasie und oft ein ausgezeichnetes technisches Verständnis. Doch Symbole und alles, was damit zu tun hat, lehnen sie jedoch intuitiv ab. Eine Legasthenie wächst sie nicht aus, wie früher oft behauptet wurde. Man kann sie aber in den Griff bekommen – und dabei helfe ich gerne.
Übrigens, dass legasthene Menschen weder dumm noch faul sind, haben u.a. diese bekannten Legastheniker bewiesen:
- Albert Einstein (Entdecker der Relativitästheorie und Nobelpreisträger)
- Stephen Hawking (weltbekannter Physiker)
- Tom Cruise (amerikanischer Schauspieler)
- Michael Jackson (amerikanischer Pop-Sänger)
- Lewis Hamilton (F1-Champion)
- John Lennon (Beatles-Sänger)
- Agatha Christie (englische Schriftstellerin)
- Ernst Hemingway (amerikanischer Schriftsteller
- u.v.m.
Viele hilfereiche Infos zur Legasthenie finde Sie auf dem Blog des Ersten Österreichischen Dachverbands für Legasthenie https://www.legasthenie.at/blog/ und auf dem Blog von Legasthenie-Expertin Astrid Kopp-Duller https://blog.legasthenie-lrs-dyskalkulie.com/